Aschauer Heiliges Grab, © Foto Berger
Himmelsleiter von Erwin Wiegerling, © Erwin Wiegerling
Aschauer Heiliges Grab, © Foto Berger
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Logo Das Aschauer Heilige Grab
Aschauer Heiliges Grab, © Foto Berger
Aschauer Heiliges Grab, © Foto Berger
Aschauer Heiliges Grab, © Tourist Info Aschau im Chiemgau

Hl. Grab - Kunst - Deutung - Geistlicher Impuls

Das Aschauer Heilige Grab

Am Grab stehen

Ein Grab ist die letzte Ruhestätte eines verstorbenen Menschen. Hier wird die Begrenztheit des irdischen Lebens, die Endgültigkeit des Todes bewusst. Das Grab ist ein Ort, wo Angehörige mit ihrer Trauer, den Gedanken und Erinnerungen, mit ihren Gefühlen hinkommen, vielleicht sogar Zwiesprache mit dem Verstorbenen halten können. Damit steht ein Grab für eine lebendige Verbindung über den Tod hinaus und wird zur Erinnerungs- und Gedenkstätte. Lebenskultur und Grabkultur hängen eng zusammen.

Am Heiligen Grab stehen

Als „Heiliges Grab“ wird jenes Grab in Jerusalem bezeichnet, in dem der Leichnam Jesu nach seinem Tod am Kreuz bestattet worden ist. In der Nähe des Golgothahügels hatte Josef von Arimathäa dazu ein Felsengrab zur Verfügung gestellt, das mit einem schweren Rollstein verschlossen wurde. Als einige Frauen am frühen Ostermorgen zum Grab Jesu kamen, um ihm mit der Salbung einen letzten Liebesdienst zu erweisen, standen sie völlig verstört und erschrocken vor einem leeren Grab und nur nach und nach bahnte sich die gläubige Gewissheit ihren Weg von den Frauen zu den zweifelnden Jüngern, dass Jesus auferstanden und in eine neue Weise des Lebens übergegangen ist, in dem Schmerz, Dunkelheit und Tod für immer überwunden sind.

Durch diesen österlichen Sieg über den Tod gewinnen alle anderen Gräber sowie der Tod eine neue Bedeutung im Sinne eines Übergangs von der irdischen Welt in die himmlische.

Im Jahr 326 ließ Kaiser Konstantin das ursprüngliche Grab Christi in Jerusalem freilegen und die Grabeskirche darüber erbauen. In den folgenden Jahrhunderten baute man diese heilige Gedenkstätte in vielen Teilen der Welt nach, und in der Barockzeit entstanden die großen Heilig-Grab-Kulissen für die Karwoche. Alle „Heiligen Gräber“ stehen in enger Beziehung zum Grab Jesu in Jerusalem und zum österlichen Glauben vom Sieg des Herrn über den Tod – zur Hoffnung für uns Menschen.

Das Heilige Grab in Aschau im Chiemgau

1797/99 fertigten der Kistler Sebastian Furtner aus Hohenaschau und der Maler Sebastian Rechenauer d.Ä. aus Unterflintsbach ein neues Heiliges Grab für die Aschauer Pfarrkirche. Die Künstler ließen sich von römischen Vorbildern inspirieren und standen noch ganz in der Tradition barocker Kulissenheiliggräber, in denen religiöse Inhalte in theatralischer Weise zum Ausdruck gebracht wurden.

Drei Etagen, in dem fast 10 m hohen Aufbau, sind zu unterscheiden: In der Mitte das Heilige Grab, flankiert von Säulenhallen, die den Blick in Landschaftsmalerei freigeben. Es ist die irdische Ebene, die Welt mit all ihrer Schönheit (dargestellt beispielsweise in der Landschaft und der Harmonie der Säulenarchitektur), aber auch ihrer Vergänglichkeit (Grab).

Darüber ist der himmlische Bereich mit den drei göttlichen Tugenden und der Nische für die Monstranz (so früher) bzw. dem Kreuzreliquiar, sowie für die Figur des Auferstandenen an Ostern.

Die unterste Ebene stellt die Unterwelt dar, mit den Verstorbenen der vorchristlichen Zeit, angefangen bei Adam und Eva, die auf Erlösung warten. Flankiert wird dieser Bereich von Ruinenarchitektur.

Ölbergszene

Während der Fastenzeit bis Gründonnerstag, ist in der Mitte der Kulissen das Gebet Christi am Ölberg zu sehen. Der vorhandene Barockengel und die darüber sichtbare Gottvaterdarstellung wurden 2019 in den Werkstätten Wiegerling mit dem betenden Jesus ergänzt. Nach dem Letzten Abendmahl zieht sich Jesus mit seinen Aposteln an den Ölberg zurück, wo er sich in seiner Todesangst Gott, dem Vater, anvertraut: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.“ (Lk 22,42-44)

In unserer Region finden sich viele Zeugnisse, die jene Ölbergstunde künstlerisch umsetzen; erinnert sei an die Ölbergkapelle in Sachrang, sowie an die Ölbergdarstellung in Aschau zwischen Kirche und Pfarrhof.

Indem Christus mit aller Konsequenz die Bedrängnis und Todesangst durchleidet, wird gerade sein Gebet am Ölberg zu einer Ermutigung für Menschen in großer Bedrängnis, ihre ganze Not Gott anzuvertrauen. Der Blick auf die Ölbergszene könnte uns daran erinnern.

Propheten, David und Mose

Die vier Propheten Ezechiel, Micha (an den Stirnseiten im 1. Stockwerk), Jesaja und Jeremia (auf Brettern gemalte Figuren), sowie Mose mit der Schlange und König David mit der Krone (Bretterfiguren) weisen mit ihren Spruchtafeln auf die Passion von Jesus Christus hin.

Schon im Neuen Testament sind viele inhaltliche Bezüge von alttestamentlichen Vorbildern zur Bedeutung Jesu geknüpft: Die kupferne Schlange, die Mose in der Wüste auf Gottes Geheiß gegen die tödliche Schlangenplage als Heilszeichen aufgerichtet hatte (Num 21,4-9) wird zum Vorbild für die Erhöhung Jesu am Kreuz zum Heil der Menschen: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat (Joh 3,14-15).

König David trägt die Spruchtafel: „Hier ist der Herr in seinen hei. Tempel. da (se)hen seine Augen auf uns Arme. Psalm. 30.Kapt. 5 V.“ Richtigerweise ist hier aus Psalm 11,4 (10,5) zitiert, wo es um einen Verfolgten geht, der in Gott seine Zuflucht findet. König David (1000-960 v.Chr.) gilt nicht nur als Vorfahre von Jesus, „dem Sohn Davids“, sondern auch als Psalmendichter und Harfenspieler.

Zum Propheten Jesaja mit dem grünroten Gewand gehört ein Zitat (Jes 63,4), das Erlösung durch ein vorausgehendes Gerichtsszenarium verheißt.

Der Prophet Jeremia, der selbst die große Katastrophe des Gottesvolkes erlebt hat – die Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 587 v.Chr. – trägt den Spruch: „O ihr alle die ihr da vorüber gehet mercket und sehet, ob je ein Schmerz dem meinigen gleich sej!“ (vgl. Klgl 1,12)

Das Wort Ezechiels (links 1. Stock) könnte auf die Finsternis zur Todesstunde Jesu verweisen, und der Prophet Micha trägt ein Zitat, das auch heute noch in den sog. Improperien der Karfreitagsliturgie vorgesehen ist.

Grabkugeln

Typisch für die großen Heilig-Grab-Kulissen sind die mit buntem Wasser gefüllten und von hinten beleuchteten Glaskugeln. Ursprünglich als „Schusterkugeln“ zur Verstärkung des (Kerzen-)Lichts in Werkstätten verwendet, dienten sie im Barocktheater zur Beleuchtung und kamen so in die Hl.-Grab-Kulissen. Die fünf roten Grabkugeln vor dem Grab Christi symbolisieren die fünf Wundmale.

Das Grab Jesu

Eindrucksvoll in vollplastischer Holzschnitzerei aus der Barockzeit liegt der Leichnam Jesu am Karfreitag und Karsamstag in der Mitte des Heiligen Grabes. Die Gesichtszüge zeigen noch den Todeskampf am Kreuz, die Hände die Wundmale der Nägel. Jetzt hat er ausgelitten. Die Schulterwunde erinnert an das schwere Kreuz, das Jesus getragen hat; sie war Gegenstand einer um 1700 aufkommenden eigenen Andachtsform. Im Hintergrund eine der beiden Frauengestalten, die auf die Rückwand des Grabes gemalt sind: Wohl Sibyllen, die nach frühchristlicher Tradition ähnlich wie die atl. Propheten auf Christus hinwiesen.

Die Unterwelt

Unterhalb des Grabes gewährt eine Ruinenarchitektur Einblick in die „Unterwelt“ mit den auf Erlösung wartenden Verstorbenen des Alten Bundes, angefangen bei Adam und Eva. Diese Darstellung am Heiligen Grab in Aschau verdient besondere Beachtung, da sie bei vergleichbaren Kulissenheiliggräbern sehr selten in dieser Form zu sehen ist. Aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis ist die Formulierung „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ bekannt. Der Abstieg Christi in die Unterwelt, der zwischen dem Tod und Begräbnis von Jesus und seiner Auferstehung angesiedelt und gedanklich vor allem mit dem Karsamstag verbunden ist, erschließt sich nicht unmittelbar aus biblischen Quellen, ist aber u.a. in 1 Petr 3,18f angedeutet. Bis heute ist für die Trauermette am Karsamstag die Lesung des Kirchenlehrers Epiphanius (+ 535) vorgesehen, in der dieser Abstieg in die Unterwelt ausgemalt und gedeutet wird: Was ist das? Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht ... Gott ist – als Mensch – gestorben, und die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat die in der Welt des Todes auferweckt. Er geht auf die Suche nach dem erstgeschaffenen Menschen wie nach dem verlorenen Schaf. Besuchen will er, „die völlig in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes.“ Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn…

(zitiert in: Deutsches Liturg. Institut, Trier 2011, Trauermette S. 26)

Engel mit den Leidenswerkzeugen

Hoch oben über den Säulenarkaden tragen Engel die Leidenswerkzeuge der Kreuzigung, ähnlich wie sie schon Bernini auf der berühmten Engelsbrücke in Rom als Begleitfiguren eines Pilger- und Prozessionsweges errichtet hatte. Sie lassen im Betrachter Szenen aus der Passion des Herrn lebendig werden.

Am Aschauer Heiligen Grab sind von links nach rechts zu sehen: 1. Das Kreuz, das Jesus auf den Kalvarienberg hinaufgetragen hat und an dem er gestorben ist. 2. Die Lanze, mit der ein Soldat in die Seite Jesu stieß. 3. Die Dornenkrone, die Soldaten Jesus auf den Kopf setzten, um ihn als „König der Juden“ zu verspotten, nachdem er von Pontius Pilatus verhört worden war. 4. Die Nägel, mit denen der Herr ans Kreuz geschlagen wurde, dazu 5. Hammer und Beißzange für die Annagelung. 6. Die Leiter für die Abnahme des Leichnams vom Kreuz. 7. Der Essigschwamm, mit dem man dem Gekreuzigten in seinem Todeskampf zu trinken gab; und schließlich 8. die Säule für die Geißelung Jesu, die Pilatus angeordnet hatte.

So wie das Kreuz, das der Vollstreckung eines grausamen Todesurteils diente, erst durch die Auferstehung Christi und die theologische Reflexion darüber zum Segenszeichen wurde, erfuhren auch die Leidenswerkzeuge Christi den Bedeutungswandel von Foltergeräten zu einem Symbol des Sieges über Leid und Tod.

Auferstehung

„Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos“ - schreibt der Apostel Paulus in 1Kor 15,17 und bekräftigt gleich darauf: „Nun aber ist Christus auferweckt worden als erster der Entschlafenen“. Mit der Auferstehung Jesu steht und fällt alles. Auch das Aschauer Heilige Grab zielt auf den österlichen Sieg über den Tod, was mit der krönenden Kartusche „Sein Grab wird glorreich sein“ angedeutet wird. Die ganze Theatralik des barocken Kulissenaufbaus ist darauf ausgerichtet, mit allen Sinnen Passion und Ostern aufzunehmen als einen Weg vom Dunkel ins Licht, verwirklicht in Glaube (links mit dem Kelch), Hoffnung (rechts mit Anker) und Liebe (durch den auferstandenen Christus in der Mitte).

Text: Pfarrer Paul Janßen, 2019/2021

Katholischen Pfarramt Darstellung des Herrn
Kirchplatz 2, 83229 Aschau im Chiemgau
www.pfarrei-aschau.de

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