Schloss Hohenaschau Laubensaal, © Foto Berger

Laubensaal im Schloss Hohenaschau

Der barocke, komplett bemalte Laubensaal auf Schloss Hohenaschau ist nur im Rahmen einer Schlossführung zu besichtigen. Entstehung des Raumes: um 1540 die Malerei: 1686/87.

Der Laubensaal, ein etwa 60 m² großer Raum im Erdgeschoss des Nordflügels, war in der Barockzeit komplett bemalt. Besonders die Wandmalereien litten sehr unter der nahezu Jahrhunderte langen unsachgemäßen Behandlung (Feuchtigkeit, Lagerraum, übertüncht und mit Tapeten überzogen, Bodenbemalung abgeschrubbt). In den 1980er Jahren wurde die Kassettendecke neu befestigt. 2006, zwei Jahre vor der Bayerischen Landesausstellung, ließ der Eigentümer die Bundesanstalt für Immobilien Aufgaben, genannt BIMA die Feuchtigkeit ziehende Südmauer für ca. 115.000 € trocken legen und schuf so die Voraussetzung für eine gründliche Sanierung der bedeutsamen Wandmalereien.

Renovierung

Der Heimat- und Geschichtsverein Aschau i.Ch., gab daraufhin nach der denkmalschützerischen und baurechtlichen Genehmigung die Restaurierung in Auftrag. Sie wurde von der Fa. Wolfgang Lauber, Bad Endorf, in den Jahren 2007, 2009 und 2010 nach Vorgaben des Landesdenkmalamtes durchgeführt und Ende September 2010 abgeschlossen. Die Finanzierung war natürlich nur mit Unterstützung verschiedener Einrichtungen möglich, bei denen sich der Verein an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedankt.
Dr. Johannes Erichsen, Leiter der Verwaltung der Bayerischen Schösser, Seen und Gärten, entdeckte bei den Vorbereitungen zur Landesausstellung die kulturhistorische Besonderheit, die Herkunft und Bedeutung der Malerei im Laubensaal und verfasste dazu einen Beitrag im Ausstellungskatalog.

Laubensaal

Eine einmalige Dekoration hatte Max II. von Preysing-Hohenaschau für die Gestaltung des Speiseraumes auf seinem nur als Sommer- und Jagdschloss genutzten Sitz Hohenaschau. gewählt. Im „Reich der Flora" wollte der Reichsgraf mit seiner Familie tafeln, also im ewigen Frühling.
Da die noch mittelalterlich erscheinende Burganlage von Hohenaschau im 17. Jahrhundert nicht mehr den gestiegenen Bedürfnissen entsprach, ließen die Grafen von Preysing-Hohenaschau sie schrittweise im aktuellen Stil des Barocks aus- und umbauen. Nach der Schlosskapelle und dem Festsaal widmete sich Max II dem Speiseraum und ließ ihn in den Jahren 1686 und 1687 in ein barockes Gesamtkunstwerk verwandeln.
Alle Wände, die Decke und sogar der Fußboden wurden mit einer illusionistischen Malerei überzogen. So sollte der Eindruck erweckt werden, die Familie speist in einer offenen Laube unter Weinranken, oben thront Flora, die Göttin des Frühlings und der Blumen, zu ihren Füßen breitet sich eine üppige Blumenwiese aus und der umherschweifende Blick genießt die Aussicht auf die prächtigen Villen der Umgebung. Wie durch Zauberhand fühlte man sich nach Italien versetzt. Noch mehr, Schloss Hohenaschau fügte sich, zumindest optisch, zwanglos ein in die Reihe der berühmten römischen Villen.

Sechs römische Villen und die Parkanlagen

Sechs dieser Villen mit ihren Gartenanlagen reihen sich an den Wänden des Laubensaales. Nur im Laubensaal bekommt man einen Eindruck von den einst weitläufigen und prächtigen Gartenanlagen der Villa Ludovisi wie sie Kardinal Ludovico Ludovisi, ein Neffe von Papst Gregor XV, ab 1621 anlegen ließ. Heute führt die nicht mehr ganz so mondäne Via Veneto darüber hinweg.

Seit der Renaissance griff man auf die antike Bauform der Villa wieder zurück. Wie einst die reichen Römer ließen sich jetzt prominente Familien vor den Toren der Stadt anspruchsvolle Landsitze für Erholung und Müßiggang bauen. Das Casino, also das „Häuschen" (von „casa"), wurde bald unverzichtbarer Bauteil in den Gartenanlagen. Es diente meist für Einkehr und Spiel oder auch zur Unterbringung der fürstlichen Kunstsammlung.

In den weitläufigen Parkanlagen auf dem Pincio, zu dem die Spanische Treppe empor führt, ließ Kardinal Scipione Borghese, Neffe von Papst Paul V., das Casino zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Galeriegebäude für seine exzellente Sammlung von Antiken und Skulpturen errichten. Erweitert um die Gemälde aus dem Stadtpalast der Familie Borghese zählt heute die Galleria Borghese zu den bedeutendsten Museen Roms.
Hinter dem Gianicolo, westlich von Trastevere, befindet sich die Villa Doria Pamphilj. Fürst Camillo Pamphili, ein Verwandter von Papst Innozenz X., ließ Mitte des 17. Jahrhunderts die Gärten und ihre Bauten anlegen. Das Casino, dessen Bauform von Andrea Palladio, dem wohl berühmtesten Villenarchitekten, beeinflusst ist, barg die Antikensammlung des Bauherren, Heute ist die größte Parkanlage Roms frei zugänglich für die Öffentlichkeit.

Ebenfalls auf dem Pincio befindet sich die Villa Medici. Den Namen erhielt die Villa durch Kardinal Ferdinande I. de Medici, der die in den Jahren zuvor errichtete Villa 1576 erwarb, um seine Antikensammlung hier unterzubringen. 1633 war Galileo Galilei in der Villa Medici interniert. Seit 1803 ist die Villa Sitz der Academie de France in Rom.

Als sechste und letzte der Veduten, also der Architekturansichten, sieht man das Casino Belvedere in den vatikanischen Gärten. Ab 1485 hatte sich Papst Innozenz III. ein für Rom typisches Belvedere, also einen luftigen, erhöhten Ort mit schöner Aussicht, errichten lassen; Vorbild aller folgenden Belvederes in barocken Schlossanlagen. Heute gehört das Belvedere zu den Vatikanischen Museen.

Als Vorlage für die Villenansichten diente ein umfangreiches Stichwerk von Giovanni Battista Falda. 1683 hatte der 40-Jährige, aus der Lombardei stammende Topograf erstmals seine „Giardini di Roma", also „Die Gärten von Rom", in einer Gesamtausgabe publiziert. Bereits zwei Jahre später gab der Nürnberger Verleger Johann Jacob Sandrart das Stichwerk für das deutsche Publikum heraus. Max II. von Preysing-Hohenaschau muss Zugang zu dem teuren Stichwerk gehabt haben, es seinen Malern vorgelegt und wohl auch selbst die Auswahl der Villen getroffen haben.
Auch die „Fontäne di Roma", die Brunnen von Rom, das zweite Stichwerk von Falda, sind auf Hohenaschau bekannt gewesen. Denn im Garten der Villa Ludovisi wurde der ursprüngliche kleine Triton-Brunnen durch den weitaus prächtigeren Triton-Brunnen der Piazza Barberini, geschaffen von dem Hauptmeister des römischen Barock Gian Lorenzo Bernini, ersetzt. Auch dafür lieferte Falda die Vorlage. 

Joseph Eder und Jakob Carnutsch waren die Maler

Der Priener Kunsthistoriker Peter von Bomhard erschloss aus einem Bericht des Hohenaschauer Gerichtsverwalters Purkweger an Max II. vom 28. Dezember 1686, dass nur Eder und Carnutsch als Maler des Laubensaales in Frage kommen. Purkweger berichtet nämlich, dass die beiden Maler über die Feiertage nach Hause gegangen seien und erst zu Lichtmess wieder kämen. Max II. vermerkte dazu „Man mueß halt den Mallern wohl einbilden daß Sye et waß rechts machen, das es kheiner Bildlmallerey gleich-siehet," Der Auftraggeber war sich also durchaus bewusst, dass hier etwas ganz besonderes geschaffen wurde.
Der Maler Joseph Eder (geboren um 1650 in Innsbruck, gestorben 1712 in Neubeuern) lebte damals in Wagrain bei Ebbs. Von ihm sollen die Figuren, Flora und die Putten stammen wie Stilvergleiche mit den Deckenbildern im Nonnenchor der Klosterkirche von Altenhohenau und in der Seekapelle von Herrenchiemsee erweisen.

Jacob Carnutsch (geboren um 1650/55 an unbekanntem Ort, gestorben 1715 in Prien) lebte zur Entstehungszeit, in Prien. Er soll die Landschaft geschaffen haben. Beide Maler wohnten für damalige Verhältnisse so nahe, dass sie vor Weihnachten zu Fuß nach Hause gehen konnten.
Einigkeit besteht, dass Eder und Carnutsch wohl nur die ausführenden Maler waren. Die grandiose Idee des Gesamtkonzeptes muss jemand anderes entwickelt haben. Einzig vergleichbar mit dem Laubensaal erweist sich die Ausmalung der Villa Falconieri (Rufina) in Frascati. Hier schuf ab 1668 der Bologneser Wand- und Theatermaler Giovanni Franceso Grimaldi die Ausmalung der Sala della Primavera, also des Frühlingsraumes, als illusionistisch gestalteten Gartenraum mit einem ähnlichen System aus schattenspendenden Bäumen sowie dekorativen Vasen. Auch hier streut Flora Blumen auf die Gäste.

Für den Hohenaschauer Laubensaal wurden die Stichvorlagen geschickt in der Perspektive den Raumverhältnissen angepasst und damit die Wirkung und Tiefe des Raumes verstärkt. Sind die Fenster der Nordwand bei schönem Wetter geöffnet, ergibt sich ein verblüffender Effekt. Die gemalte Landschaft im Inneren scheint mit der realen Chiemgau-Landschaft draußen zu verschmelzen und eine Einheit zu bilden. Als Entwickler des Hohenaschauer Konzeptes muss man einen der zahlreichen italienischen Künstler am Münchner Hof vermuten. Auf alle Fälle ist der Laubensaal ein herausragendes Beispiel für den Kulturtransfer zwischen Italien und Bayern in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Mehr als in den Stichvorlagen bevölkerten Eder und Carnutsch die Gärten mit zahlreichen Figuren, die über die Bedeutung von Staffagefiguren weit hinaus gehen. Sie schildern das Leben in seiner ganzen Bandbreite. Ganz unten in der sozialen Skala würde wohl der fahrende Scherenschleifer anzusiedeln sein, den man bei seiner Tätigkeit betrachten kann.

Gärtner im Park beim Rasten

Liebevoll werden die Gärtner abgebildet. Mal transportieren sie ein Bäumchen in einem Pflanzkübel auf einem eigens dazu konstruierten flachen Karren. Mal beratschlagen sie über die weiteren Arbeiten und einer ruht sich dabei auf einer hölzernen Radltruhe aus. Für die Pflege der weitläufigen und vielfältig angelegten Gartenanlagen rund um die Villen war sicher ein Heer von Gärtnern nötig.
Wenig schmeichelhaft für die Damenwelt sind die beiden sich raufenden Frauen. Man glaubt geradezu das Gezeter und den kläffenden Hund, der die Szene begleitet, zu hören. Wie viel ruhiger ist da die Schilderung eines Geistlichen, der in einem Buch liest.
Doch auch die adelige Gesellschaft findet eine vielfältige Darstellung. So lassen sich Damen in  Sänften tragen, während die Herren sich der Hohen Schule der Reitkunst widmen.

Gerade der Aufenthalt in den sommerlichen Gärten bot Gelegenheit zu Spielen im Freien. Woher die Vorlagen für die damals typischen italienischen Spiele der adeligen Gesellschaft stammen, ist noch unerforscht. Vielleicht hatte sie Max II. von Preysing-Hohenaschau aber auch selbst kennengelernt, als er 1663 in Siena für ein Jahr die Rechte studierte, und sie seinen Malern geschildert.

Spieler beim beliebten „gioco del pallone col bracciale“

Beim „Gioco del pallone col bracciale", dem Ballspiel mit der Holzmanschette (italienisch „bracciale"), tragen die Spieler schwere Holzmanschetten mit vorstehenden Noppen um den Unterarm. Damit muss ein Ball zurückgeschlagen werden. Beim „Gioco del trucco", dem Trickspiel, werden, nicht unähnlich unserem Minigolf, Bälle mit einer Art langstieligen kleinen Schaufel durch einen Ring getrieben.

Die enge Beziehung, die Graf Preysing als hoher Beamter am bayerischen Hof in München zu seinem Herrn, dem Kurfürsten hatte, spiegelt sich auch in Hohenaschau wider. Ab 1684 ließ Kurfürst Max Emanuel, der von seiner Mutter Henriette Adelaide von Savoyen die Vorliebe für italienische Kultur geerbt hatte, im Park von Schleißheim durch den Graubündner Hofbaumeister Enrico Zuccalli Lustheim als Lust- und Jagdschloss erbauen. Der Bau folgte ganz dem Schema eines südlichen Gartencasinos.
Graf Preysing griff die Idee des Casinos in übertragener Weise auf und ließ sich diesen Bautypus samt der Gärten in seinen Speisesaal auf Hohenaschau malen. Damit hatte er kompensiert, was er hier wegen der Berglage nie anlegen konnte, - weitläufige Gärten.
Normalerweise werden großflächige Wandgemälde in der Technik des Fresco, also auf nassen Putz, oder Secco, auf trockenem Putz, mit wasserlöslichen Farbpigmenten ausgeführt. Hier im Laubensaal wurde jedoch eine ganz ungewöhnliche Technik verwendet. Auf den trockenen Putz wurde ein dunkelroter Bolus, eine Grundierung aus spezieller Tonerde, aufgetragen und darauf mit Ölfarben gemalt.
Diese ausgefallene Technik hatten die Restauratoren der Bad Endorfer Firma Wolfgang Lauber schon beim Restaurieren der Deckengemälde der Schlosskapelle von Hohenaschau kennengelernt. Auch hier waren Eder und Carnutsch am Werk. Diese wertvollen Erfahrungen erleichterten wesentlich den Einstieg der Restaurierung der Wände des Laubensaales.
Nach einer wechselvollen Geschichte erstaunt die heutige gute Erhaltung des Laubensaales. Anmutig kann Flora den Blumenkranz halten und begleitet von einem munteren Reigen von Putten Blumen auf die Besucher streuen. Fiel auch die gemalte Blumenwiese einer heftigen Reinigungsaktion vor etlichen Jahrzehnten zum Opfer, so vermitteln Decke und Wände jetzt wieder einen einmaligen Eindruck fürstlicher barocker Speisenkultur.

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